Wirtschaft und Werte (2)

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Wirtschaft und Werte

– Eineinhalb Jahre Vorbereitung und ein Symposium zu Fragen der Vermittlung eines ökonomischen Berufsethos und einer objektiven Führungsethik –

Problemstellung

Seit der Wirtschafts- und Finanzkrise wird der vermeintliche Werteverlust von Unternehmern und Führungskräften weltweit öffentlich diskutiert. Sowohl in Europa als auch in den USA profitieren populistische Bewegungen vom Vertrauensverlust in wirtschaftliche und politische Eliten durch Affären wie den VW-Abgasskandal und die Debatte um die Panama Papers. Wirtschaftliches Profitstreben und ethische Handlungsprinzipien scheinen unvereinbar.

Ob diese Unvereinbarkeit tatsächlich besteht, muss in der öffentlichen Diskussion geklärt werden. Hierzu leistete unser Symposium „Wirtschaft und Werte“ einen Beitrag, indem es innerhalb des Studentenforums im Tönissteiner Kreis sowie unserem Kooperationspartner, der Stiftung der Deutschen Wirtschaft, eine Debatte anstieß und die bereits bestehende allgemeine öffentliche Diskussion bereichert.

Vorbereitung Symposium

Das Projekt „Wirtschaft und Werte“ wurde auf dem Kreativkolloquim im Herbst 2014 gegründet und wuchs rasch auf fünf Mitglieder an: Maike Sieben, Alexander Abdel Gawad, Christiane Licht, Katharina Lowinski und Christina Digeser. Beraten wurde das Team vor allem von Pepe Strathoff und Martina Bilawski.
Waren die frühen Projektphasen noch der genauen Zieldefinition und konzeptionellen Ausgestaltung gewidmet, ging es in den späteren Phasen rasch an die Umsetzung: Über spannende Telefoninterviews mit Mitgliedern des Tönissteiner Kreises konnte das Team zunächst einen lebensnahmen Einblick in die konkreten ethischen Problemstellungen aktiver Führungskräfte gewinnen. Die ausgewerteten Ergebnisse dieser Interviews beeinflussten dann unmittelbar die inhaltliche Gestaltung des Symposiums. Einige der Interviewgäste bereicherten sogar das Symposium durch ihr persönliches Erscheinen. Hierfür möchten wir Ihnen an dieser Stelle nochmals unseren herzlichsten Dank aussprechen!

Die für das Gelingen des Projekts zentrale Suche der vielen hochkarätigen Referenten aus den verschiedensten Bereichen nahm ebenso wie die Organisation der Unterkunft mehrere Monate in Anspruch. Die Rückmeldungen nach dem Symposium zeigten, dass wir beide Aufgabenstellungen außerordentlich gut lösten: Die Referenten boten sehr spannende Vorträge und Diskussionen und die Unterbringung im Christlichen Jugenddorfwerk in Bonn erfüllte mit seinem freundlichen Personal und der zentralen sowie ruhigen Lage alle Wünsche.

Ebenfalls Teil der Vorbereitungsphase und inhaltlichen Ausrichtung des Symposiums war die Aufarbeitung der wissenschaftlichen Literatur und des aktuellen Forschungsstandes zur Thematik. Auf diesem Wege konnte das Projektteam ein gutes Gespür für die aktuell dringendsten Fragen gewinnen.

Durchführung Symposium

Das Symposium „Wirtschaft und Werte“ fand vom 8. – 10. April 2016 in Bonn statt. Die Gäste umfassten 13 Stipendiaten des Stiftung der deutschen Wirtschaft sowie 8 Mitglieder des Studentenforums im Tönissteiner Kreis unterschiedlichster Hintergründe und Ausbildungsstufen. Somit war die Truppe recht bunt aufgestellt – eine große Bereicherung für die vielfältigen Diskussionen an diesem Wochenende!2016WuW2

Den Auftakt zum Symposium bildete am Freitagnachmittag ein einführender Lehrvortrag von Herrn Prof. Dr. Josef Wielandt (Direktor des Leadership Excellence Institute Zeppelin an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen) zum Thema „Wirtschafts- und Unternehmensethik in der Globalisierung: Treiber, Konzepte, Management“. Der akademisch geprägte Vortrag bot eine fundierte theoretische Grundlage verschiedener Konzepte und Modelle zu Fragen von Ethik und Moral im Spannungsfeld zu wirtschaftlichen Anforderungen. Spannende Fragen an Herr Prof. Dr. Josef Wielandt ergaben sich im Anschluss zu Hauf, so dass die Diskussion letztlich zugunsten des umfangreichen Abendessens abgebrochen werden musste.
Im Anschluss an das Nachtmahl standen vier Case Studies zum Thema „Ethische Konfliktsituationen im (Berufs-)Alltag“ auf dem Programm. Diese sollten die Symposiumsteilnehmer dazu befähigen, zusätzlich zum Erwerb der dogmatischen Kenntnisse ein Grundgespür für die Problematik zu entwickeln. Im Zuge dieser geselligen Veranstaltung klang der Abend in der hauseigenen Lounge aus.
Der folgende Samstag startete nach einem reichhaltigen Frühstück zeitig mit einer durch die Teilnehmer anhand von Einführungstexten vorbereiteten Podiumsdebatte zum Thema „Ethische Handlungsspielräume in einer globalisierten Wirtschaft am Beispiel der Energie- und Chemiebranche“, die den theoretischen Input des vorangegenagenen Freitagnachmittags durch praktische Fragestellungen konkretisierte. Gäste der Diskussionsrunde waren Herr Ludwig Holle (Finance and Controlling, Weylchem Group of Companies) als Vertreter der Chemiebranche und Herr Eberhard Meller (Senior Counselor EWE und Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Energie- und Wasserwirtschaft). Herr Martin von Broock, Vorstandsvorsitzender des Wittenberg-zentrums für Globale Ethik,moderierte das kontrovers-produktive Gespräch gekonnt und erntete für seine freundliche und einladende Gesprächsführung allseits Lob.

Nach dem Mittagessen schritt der Nachmittag mit zwei Workshops voran: Die Teilnehmer konnten sich für eine Diskussionsrunde zum Thema „Werteorientierte Beratung in Krisensituationen: Personalabbau und Restrukturierung“ mit Herrn Michael Lutz, Consultant bei der Boston Consulting Group, oder eine Einführung das Konzept des effektiven Altruismus (Stichwort: „Maximize your impact!“) am Beispiel ethischer Aspekte bei der Berufswahl von Stefan Torges und Jan Dirk Capelle von der Stiftung für effektiven Altruismus entscheiden. Gut besucht waren beide Veranstaltungen und regten zu konstruktiver Kritik und tiefgreifenden Diskussionen an: Während im Workshop der Boston Consulting Group ein eher konservativ-realistischer Ansatz in Fragen der Ethik vertreten wurde, verstand sich der Ansatz der effektiven Altruisten als rational-wirtschaftswissenschaftlich fundiertes, progressives ethisches Konzept.

2016WuW1Nach einer kleinen Kaffeepause zum informellen Erfahrungsaustausch der beiden Arbeitsgruppen war es wohl allen Teilnehmern und Organisatoren eine Freude, Herrn Prof. Dr. Michael Bordt SJ, den Vorstand des Instituts für Philosophie und Leadership der Hochschule für Philosophie München zu einem etwas anderen Vortrag zum Thema „Ethos statt Ethik: Was Führungskräften in Spitzenpositionen wirklich weiterhilft“ begrüßen zu dürfen. In diesem Vortrag verschob sich die Perspektive von der zuvor fokussierten Makroebene auf die Individualebene der im konkreten Fall ethisch Handelnden. Eine herausragende Stellung nahm der Vortrag nicht nur wegen seiner klaren Präsentation des zugrunde liegenden philosophisch-theologischen Fundamentes ein, sondern auch wegen der praktischen Übungen zur Achtsamkeit, mit denen der Professor Bordt – seines Zeichens eigens für diese Veranstaltung angereist – seine theoretischen Darlegungen abschloss.

Abwechslungsreich stellte sich im Anschluss auch die Auswertung, Präsentation und Evaluierung der Ergebnisse der in Vorbereitung auf das Symposium geführten Telefongespräche durch Maike Sieben und Pepe Strathoff dar. Zuletzt klang dieser ereignisreiche Tag mit einem Kaminabend in lauschigen Bonner Bars aus. Mehrere Mitglieder des Tönissteiner Kreises besuchten uns teils spontan und berichteten in Kleingruppen von ihren Erfahrungen. Die Gespräche stellten sich für Studenten als höchst interessant und für Tönissteiner als ziemlicher Spaßfaktor heraus, so dass die Gäste teils noch lange weilten und der Abend zu lange dauerte als dass das Frühstück am anderen Morgen hätte gut besucht sein können…
Am Sonntag endete das Symposium mit einem Vortrag des Tönissteiners Dr. iur. Georg Brodach zum Thema „Ethik im Lobbyismus: Politische Interessenvertretung von privaten Unternehmen“. Anders als es in der herrschenden Meinung in der Bevölkerung vertreten sein dürfte, warf Herr Dr. Brodach ein erfrischend positives Licht auf die Funktion des Lobbyismus für eine Demokratie, gab aber auch deutliche Beispiele für unethischen Lobbyismus und schärfte durch diese Differenzierung das Problembewusstsein aller Zuhörer.

Diese beteiligten sich im Anschluss rege an der abschließend angesetzten Feedbackrunde und 2016WuW3attestierten dem gesamten Organisationsteam eine herausragende Leistung. Für diese Rückmeldung bedanken wir uns an dieser Stelle nochmals ganz herzlich!

Auch wir selbst bewerten das Wochenende als sehr gelungen! Nicht nur sammelten wir nützliche Organisationserfahrung und ernteten reichhaltige Früchte für unsere Arbeit; auch und vor allem wuchsen wir durch die Hürden der letzten eineinhalb Jahre als Team fest zusammen!

An dieser Stelle möchten wir auch der Begleitung durch unsere Betreuer Pepe Strathoff und Martina Bielawski danken, die uns während dieser Zeit mit Rat zur Seit standen!

Aufgrund der sehr gelungenen Umsetzung dieses Projekts bietet sich für die Zukunft eine studentische Kooperation mit Herrn Prof. Dr. Josef Wielandt für die geplante Konferenz Leadership and Ethics an der Zeppelin Universität an. Die Gespräche diesbezüglich sind im Gange.

Hier finden Sie einen Beitrag im LEAD-Blog der Mercator Stiftung veröffentlicht, der die Ergebnisse des Projekts „Wirtschaft und Werte“ noch einmal zusammenfasst.

Team: Maike Sieben, Alexander Abdel Gawad, Katharina Lowinski, Christina Digeser, Christiane Licht