International Summer Academy 2017

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International Summer Academy 2017

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Die International Summer Academy (ISA) ist das jährliche stattfindende Treffen des Politeia-Netzwerkes, zu welchem auch das Studentenforum gehört. Jeweils rotierend von den Mitgliederorganisationen veranstaltet, fand die rund einwöchige Veranstaltung dieses Jahr – von der mexikanischen Conferencia Mariano Otero (CoMO) organisiert – in Mexico City statt.

Der erste Tag der Konferenz diente zum gegenseitigen Kennenlernen der Teilnehmer und war gefüllt mit Fußmärschen zu eindrucksvollen Sehenswürdigkeiten wie dem Palacio de Correos de Mexico, dem Palacio National und der Catedral metropolitana de la Ciudad de MéxicoVor allem im persönlichen Gespräch mit unseren Gastgebern erfuhren die Teilnehmer zugleich über das nach wie vor vorhandene Spannungsfeld von Hispanisierung und prominenter Rolle der katholischen Kirche in der mexikanischen Gesellschaft, welche stark in der Gesellschaft verwurzelt ist, aber gleichzeitig in politische, institutionelle und persönliche Skandale verwickelt. Abgerundet wurde der Tag musikalisch durch traditionelle Tänze aus den verschiedenen Regionen Mexicos: von Veracruz bis zu Mazatlán.

Der zweite Tag schloss mit einer Besichtigung des 1785 von den spanischen Kolonialherrschern erbaute eindrucksvolle Chapultepec Castle an, sowie eine Picasso- und Rivera-Ausstellung im Palacio des Bellas Artes. Zwei Künstler deren Schaffen sich gegenseitig beeinflusste. Diego Rivero leistete einen nicht zu unterschätzenden Betrag zur mexikanischen Kunstgeschichte als auch zur Entwicklung des mexikanischen Nationalbewusstseins.

 

Eingangshalle des Palacio de Bellas Artes

Den dritten Tag der Konferenz war im Saal des mexikanischen Senats, inhaltlicher Schwerpunkt: Mexikos wirtschaftliche und politische Herausforderungen. Im ersten Panel sprachen drei Senatoren über die Bedeutung der Parteien für das politische System Mexikos – ein föderaler Staat, dessen 32 Senatoren ähnliche legislative Aufgaben wie die Mitglieder des deutschen Bundesrats übernehmen. Dolores Padierna Luna (PRD – Labour-party) sprach über Probleme wie Korruption und Elitismus – das mexikanische System sei gefangen im Teufelskreis von Vertrauensverlust der Bürger in die Politik und geringem Druck von Seiten der Zivilgesellschaft. Daher entstünden nur wenige Gesetzesinitiativen. Eine ausgeglichenere Repräsentierung aller sozialer Schichten in der Politik und eine bessere Organisation der Zivilgesellschaft würde möglicherweise Abhilfe schaffen.

Roberto Gil Zuarth (PAN – liberal-konservative Partei) hingegen beschwerte sich über mangelnden Respekt für Politiker und deren Leistung und notierte die zunehmend schwächere Organisierung der Bürger sowie Bedeutung von nicht parteilichen politischen Bündnissen wie Gewerkschaften und religiöse Verbände. Yolanda de la Torre Valdez (PRI – Zentrum) sprach sich für eine repräsentative Demokratie aus; wies auf die schlechte Bildung der Bevölkerung hin, die nicht nur eine direkte Demokratie ausschlösse, sondern auch derzeitig dem politischen System Probleme bereite.  Bei der anschließenden Diskussion standen die Suche nach Lösungsansätze im Vordergrund. Emilio Alvarez Icaza der Organisation Ahora und parteiloser Kandidat für die Präsidentschaftswahlen 2018, Agustin Basave (Abgeordneter) und Eduardo Bohórquez der Transparencia Méxicana sprachen von der Notwendigkeit, dass Politiker und Bürger ihre Beziehung wiederaufbauen müssten; Bohórquez erklärte die Implikationen von Korruption und forderte stärkere interne Kontrollen. Basave betonte, dass Korruption ein Teil mexikanischer Kultur sei, und da nur in seltensten Fällen die Beteiligten mit einer Strafe rechneten, sei der Anreiz, Korruptionsgeschäfte einzugehen, hoch. Zudem kritisierte er die Vielzahl von Parteien im Parlament, aktuell acht, diese verhindere oft Fortschritte in der Politik, denn die Regierungspartei des Präsidenten brauche oft die Unterstützung von zwei weiteren Parteien um eine Mehrheit im Parlament zu haben. Die abschließende Debatte des Tages drehte sich um die Zukunft der US-Mexikanischen Beziehungen. Eingeladen waren Larry Rubin, von der US-Republican-Party in Mexiko, und der Journalist Genaro Lozano. NAFTA sei zentral für beide Länder. Als 15.-größte Wirtschaft der Welt konnte Mexiko von 1994 (Abschluss des NAFTA-Abkommens) bis 2017 mit etwa 5% jährlichen Wachstums rechnen. Als Exportökonomie führe die Wirtschaft vor allem industriell gefertigte Güter aus. Bei den Freihandelsabkommen sei das NAFTA-Abkommen mit den USA und Kanada das wichtigstes, da die nordamerikanischen Handelspartner 80% der mexikanischen Exporte ausmachen. Nach Lozano sei die Beziehung jedoch komplizierter geworden: Trump habe Mexiko seit Beginn seiner Kampagne als Feindbild und Sündenbock benutzt und die USA stelle nun keinen vertrauenswürdigen Partner mehr da. Rubin nahm jedoch seinen Präsidenten in Schutz und verwies auf die rechtmäßige Wahl und seine Erfahrungen in der freien Wirtschaft. Offensichtlich war den Teilnehmern, dass sich die Beziehung beider Länder in den kommenden Monaten stark verändern würde und dass mitunter verschiedene Realitäten wahrgenommen wurde.

Der vierte Tag begann mit einem Vortrag im Kulturzentrum Casa Lamm. Der Vortragende Adolfo Ayuso Audri half selbst als Mitglied vor einigen Jahren die CoMO mit dem Politeia-Netzwerk zu verknüpfen. Thema seines Vortrags war Nachhaltige Entwicklung. Audri arbeitet in der aktuellen Präsidialadministration an der Umsetzung der Ziele für Nachhaltige Entwicklung (SDGs) der UN-Agenda in Mexiko. Die Ziele für nachhaltige Entwicklung wurden als Leuchtturmprojekt mit 17 Zielen zur Bekämpfung globaler Probleme 2015 verabschiedet. Zentral wurde das Ziel von Frieden und Gerechtigkeit für Mexiko als Grundlage für alle anderen Ziele hervorgehoben. In Mexiko wurde ein Nationalrat zur Umsetzung der Entwicklungsziele einberufen. Unter den vielen Projekten werde auch in eine Kartengekoppelte App in gemeinsamer Produktion mit Google entwickelt. Dadurch sollen Bürger die Möglichkeit haben, auf Probleme und Herausforderungen in ihrem direkten Umfeld hinzuweisen, wie zum Beispiel fehlende Wege für Rollstühle. Solche Applikationen könnten den Interaktionsprozess zwischen Zivilgesellschaft und den politischen Entscheidungsträger verbessern. Auch die Rolle der Unternehmen hinsichtlich möglicher Verpflichtungen gegenüber der Nachhaltigkeitsagenda wurde angesprochen. Können politische und zivilgesellschaftliche Bemühungen auch ohne den Einbezug des privaten Sektors erfolgreich sein?

Im folgenden Vortrag zur Klimaerwärmung von Gabriel Quadri wurde Umweltschutz hinsichtlich urbaner Entwicklung aus wissenschaftlicher Perspektive analysiert. Nur ein niedriger ökologischer Fußabdruck hinsichtlich CO2-Verbrauchs bedeute, dass eine Stadt nachhaltig sei. Das Gegenteil nachhaltiger Städte seien solche mit niedriger Dichte, schlechtem öffentlichen Verkehrs, auf viel Verkehr ausgerichteter Infrastruktur, einem hohen Privatverkehrsaufkommen und vielen Parkplätzen. Eine Steuer auf CO2 sei das wichtigstes Instrument zur Bekämpfung von Klimawandel und zur Förderung erneuerbarer Energien. Grundsätzlich sollten Ressourcen nicht so günstig wie heute zur Verfügung stehen, da ihr Verbrauch der Menschheit langfristig viel höhere Kosten beschere. Nach den Vorträgen wurden die wirtschaftlich hemmenden Aspekte in Mexiko diskutiert –  Korruption, Verbrechen und eine wuchernde Bürokratie, soziale Ungleichheiten und Armut.

Tag 5 stand im Zeichen von Demokratie und Menschenrechten. Die Sitzungen fanden in einem Konferenzsaal des Universitätsmuseums für Zeitgenössische Kunst der Nationalen Autonomen Universität Mexikos statt. Migration sei eine geteilte Herausforderung, im Spannungsfeld der Beziehung und Migrationsdiskurs von US-Mexiko und der Reintegration von Rückkehrern nach Mexiko. Eunice Rendon, Koordinatorin der Migrationsagenda, betonte, dass durch Trump ein neues Momentum in Migrationsnarrativen entstehe. Mit rund 18 Millionen Mexikanern in den USA, von denen ein Drittel ohne Dokumente und 35 Millionen Mexikanern in der zweiten Generation bringe Trumps Politik und Sprache neue Herausforderungen mit sich sowohl für die psychische Gesundheit als auch Sicherheit der Mexikaner in den USA. Mauricio Lopez Velazquez, Direktor des nationalen Instituts für Erwachsenenbildung, präsentierte eine Vorgabe, dass alle Rückkehrer aus den USA Unterstützung erhalten, um ein Grundbildungsniveau zu erreichen, sowohl sprachlich als auch naturwissenschaftlich. Mexiko gehe intern kohäsiver mit den eigenen Zuwanderern aus Zentralamerika um. Im zweiten Panel führten Professor Enrique Caceres Nieto vom Institut für Rechtliche Prüfung und der Abgeordnete Xavier Nava Palacios in die Problematik der Korruption in einem Rechtsstaat und einer Demokratie ein – ein korruptes Regierungssystem lasse sich vor allem durch Impulse von Zivilgesellschaft und akademischer Welt verändern.

In der Sitzung mit Rajendra K. Pachauri, ehemaliger Präsident des IPCC und Friedensnobelpreisträger wurde Klimapolitik diskutiert: Pachauri appellierte nachhaltigere Wahlen im Alltag zu treffen, sowohl beim Konsum von Fleisch als auch von Kleidung. Nach einer kurzen Mittagspause hielt ITAM-Professor Athanasios Hristoulas einen Vortrag zur nationalen Sicherheitslage in Mexiko. Kern der Sicherheitsdebatte führe letztendlich auf die Kernkompetenzen eines Staates. Die letzte Sitzung des Tages wurde von Tamara Medina Rubio des mexikanischen Amnesty International Büros und Alma Alvarez Villalobos geleitet. Eine schockierende Zahl zur Diskriminierung und Gewalt, die im Gedächtnis hängen bleibt: 98% aller Feminizide werden in Mexiko nicht strafrechtlich untersucht und verfolgt. Gleichzeitig diente die Sitzung als Sensibilisierung über verschiedene Formen der Diskriminierung im Alltag. Die Reaktion der Teilnehmer war sehr gemischt und regte Diskussionen auch noch bei dem abendlichen Zusammenkommen im Stadtteil Coyoacan an.

Die Gespräche des sechsten Tages fanden erneut im mexikanischen Parlament statt: Ernesto Piedras, Berater des Kulturministeriums, betonte die Wichtigkeit der Kreativindustrie für die Entwicklung eines Landes auf. Kultur und Künstler können einen signifikanten Beitrag zur Steigerung der „softpower“ eines Landes leisten, 2013 waren ca. 7,4% des Bruttoinlandsprodukts von Mexiko auf den kulturellen Sektor zurückzuführen. Bei einem gemeinsamen (sehr späten) Mittagessen auf einem traditionellen mexikanischen Markt klang dann dieser Tag gemütlich aus. Die beiden letzten Tage rundeten die Konferenz mit einem spannenden und diversen kulturellen Rahmenprogramm ab – mit einem Tagesausflug nach Teotihuacan, sowie eine Exkursion nach Xochimilco und ins Anthropologische Museum. Die Tour ging durch die “Stadt der Götter” Teotihuacan – während des Zenits der Handelsmetropole (ca. 500 n. Chr.) eines der zehn bevölkerungsreichsten Zentren der Welt – und auch heute ist die Pyramidenstadt noch beeindruckendes Beispiel mesoamerikanische Baukunst. Am Morgen des letzten Tages trafen sich alle Konferenzteilnehmer im Süden der Stadt, um auf den traditionellen Trajinera-Booten in Xochimilco einen Hauch mexikanischer Kultur mit traditioneller Musik – Mariachis- zu erfahren. Abschluss des Programms war eine Feier im Patio der Unterkunft der deutschen Delegation.

Insgesamt erlebten die Teilnehmenden eine vor allem durch die Abwechslung und die Vielseitigkeit eine überzeugende Konferenz, die von der mexikanischen CoMO gut vorbereitet wurde. Die Konferenz war eine großartige Mischung von kulturellem und inhaltlichen Programm und eine sehr bereichernde Erfahrung.

Die Einladung zur Konferenz und das Programm finden Sie hier.

Ein Bericht von Ivo Bantel, Thilo Braun, Christian Gäth, Andreas Holzinger und Alexander Kauschanski