Krise im Libanon: Diskussion mit Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis

Erstes Kamingespräch des Studentenforums und der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin

Von Dennis Halft

Wer 50 gefälschte Reisepässe und 300.000 US-Dollar Bargeld mit sich führt, der darf sich nicht wundern, wenn er festgenommen wird. „Schließlich bestand Fluchtgefahr“, erläutert Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis die Festnahme eines Verdächtigen seitens libanesischer Behörden. Durch die Stuhlreihen des Publikums geht ein leises Raunen, dann lauschen wieder alle gespannt den Ausführungen des ehemaligen Chefermittlers der Vereinten Nationen. Als der Sicherheitsrat auf Grundlage der Resolution 1595 vom April 2005 eine internationale unabhängige Untersuchungskommission (UNIIIC) einrichtete, um den Mordanschlag auf den langjährigen libanesischen Premierminister Rafik Hariri zwei Monate zuvor aufzuklären, fiel die Wahl ihres Leiters auf den Berliner Oberstaatsanwalt. Kofi Annan, damals noch Generalsekretär der Vereinten Nationen, war am Telefon, und Detlev Mehlis sagte zu, als er ihn anfragte. Das war im Jahr 2005.

Umso erfreulicher ist es, dass sich ein solch hochkarätiger Gast zu einem Vortrag mit anschließender Diskussion mit dem Studentenforum im Tönissteiner Kreis e. V. über seine Zeit als Chefermittler der Vereinten Nationen Anfang 2007 bereit erklärte. In Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e. V. (DGAP) diskutierten rund 60 Mitglieder des Studentenforums und Gäste am 2. März 2007 in den Räumen der DGAP in Berlin. Gekommen waren auch Stipendiatinnen und Stipendiaten der Studienstiftung des Deutschen Volkes, der parteinahen Stiftungen,
des Carlo-Schmid-Programms und Mitglieder des Tönissteiner Kreises. Der geschäftsführende stellvertretende Präsident der DGAP, Botschafter Fritjof von Nordenskjöld, eröffnete die Veranstaltung.

In seinem Vortrag unterstrich Detlev Mehlis den unabhängigen Charakter der Untersuchungskommission, deren bisherige Ergebnisse keinen Vorgriff auf ein mögliches Gerichtsurteil darstellten. Aus seiner Sicht sprächen aber die Indizien und die Motivlage, die er im Dunst regionaler politischer Verwicklungen zwischen Libanon und Syrien vermutet, für eine Mittäterschaft libanesischer und syrischer Geheimdienste. Dies hatte der deutsche Oberstaatsanwalt bereits in seinen Berichten 2005 angedeutet, als er gut ein halbes Jahr lang UNIIIC vorstand. Damals folgten Verhaftungen
verschiedener Geheimdienstgeneräle durch libanesische Behörden.

Durch die Zuspitzung der Regierungskrise in Beirut nach den kriegerischen Auseinandersetzungen im Libanon zwischen der israelischen Armee und der Hisbollah im Sommer 2006 hat die Frage nach der Einrichtung des internationalen Tribunals zur Untersuchung und Verurteilung der Verantwortlichen des Attentats auf Rafik Hariri eine zusätzliche politische Dimension erhalten. Auch die seither verübten Anschläge auf syrienkritische Politiker und Journalisten, u. a. Industrieminister Pierre Gemayel und den Parlamentarier Walid Eido, sollen nun von UNIIIC aufgeklärt werden. Dass syrienfreundliche Stimmen im Libanon dies nicht gerne sähen, liegt auf der Hand. So wurde die Ratifizierung des Statuts für das Tribunal zum Zankapfel der libanesischen Innenpolitik. Bis der Sicherheitsrat schließlich mit Resolution
1757 vom Mai 2007 auf Bitten der libanesischen Regierung und unter Protest der Opposition die Einrichtung des Tribunals unter Kapitel VII der VN-Charta beschloss – ein bisher einmaliger Vorgang im Völkerrecht.

Aber auch Detlev Mehlis zeigt sich optimistisch, dass es über kurz oder lang zu einer Aufklärung der Hintergründe des Mordanschlags zumindest auf Rafik Hariri kommen wird, bei dem eine Bombe mit einer Sprengkraft von rund 1.000 kg TNT einen ganzen Straßenzug in eine Kraterlandschaft verwandelt hatte. „Dafür waren zu viele Personen in den Anschlag involviert“, sagt er. Mittlerweile ist das Stadtviertel in Beirut wieder hergerichtet, aber die Suche nach den Tätern und ihren Hintermännern geht weiter. Auch wenn mit Den Haag der zukünftige Sitz des Tribunals schon fest steht, so ist es noch längst nicht operativ. Vielleicht wären der Fortgang der Untersuchung und die innenpolitische
Dynamik im Libanon in Zukunft Stoff für eine erneute Diskussion des Studentenforums zu diesem Thema. Schließlich wurde nach dem Vortrag im Foyer bei Wein und Brezeln noch intensiv weiterdiskutiert.