Singapur statt Schützenfest

Der Werdegang deutscher Politiker:innen beginnt oftmals auf der lokalen oder kommunalen Ebene. Schon in jungen Jahren sollte sich in der Partei engagieren, wer später etwas in der Politik erreichen möchte – so zumin-dest scheint es. Sprosse um Sprosse wird so die Karriereleiter von der lokalen Ebene der Jugendorganisation bis hin zur Bundesebene der Mutterpartei erklommen. Dabei stellt sich die Frage, wie zwingend die berühmte Ochsentour durch die Ortsvereine weiterhin ist. Wie einfach ist es, den Heimatort temporär, beispielsweise ins Ausland hin, zu verlassen und dadurch parteipolitisch nicht präsent zu sein? Oder anders gesagt: Erschwert das System der deutschen ( Jugend-)parteien einen (zeitlich begrenzten) Schritt ins Ausland? Falls dem so ist, hieße dies auch, dass deutsche Politiker:innen im Schnitt eher weniger von den im Zweifelsfall wertvollen Auslandserfahrungen profitieren können. Generell stellt sich zudem die Frage, ob die Karriereleiter und dadurch der Weg in den politischen Prozess für diverse gesellschaftliche Gruppen in gleichem Maße zugänglich sind.

Grundsatz unserer repräsentativen Demokratie ist, dass Abgeordnete von der Wählerschaft entsandt werden, um deren Meinungen adäquat zu vertreten. In der politischen und soziologischen Forschung hat man sich schon oft mit der Frage auseinandergesetzt, ob die substanzielle Repräsentation einer Bevölkerungsgruppe auch einer deskriptiven bedarf. Sprich, können nur Frauen die Ansichten und Wünsche von anderen Frauen in der politischen Arena vertreten? Und selbst wenn die Sprossen der Karriereleiter für alle gleich erklimmbar sind, so stellt sich die Frage, wie der Übergang von der Jugend- in die Mutterpartei zu bewerkstelligen ist. Um diese Fragen und die Karriereleitern in der deutschen Politik insgesamt besser zu verstehen, wurde durch das Studierendenforum im Tönissteiner Kreis dieses Forschungsprojekt ins Leben gerufen.

Grundlage des Projektes ist die Jugendparteistudie 2018. Diese wurde zwischen 2017 und 2018 in Kooperation zwischen der Universität Basel und dem SF durchgeführt. Über dieses Projekt hinaus sind auf Basis des Datensatzes nun bereits mehrere Publikationen seitens der Universität Basel ent-standen. Hierin befassen sich Prof. Dr. Stefanie Bailer und Dr. Tamaki Ohmura insbesondere mit dem Karriereverhalten von Politiker:innen sowie dem Verhältnis zwischen Jugendorganisation und Mutterpartei. Die in diesen Papieren gewonnenen Befunde und Erfahrungswerte sind auch unserer Studie zu Gute gekommen.

Während des vergangenen Jahres haben wir den Datensatz analysiert und auf Basis der Ergebnisse sowohl einen Entwurf für ein Policy Paper als auch einen Fragebogen erstellt. In enger Zusammenarbeit mit der Universität Basel werden wir nun als nächstes Interviews mit Funktions- und Mandatsträger:innen verschiedener Parteien durchführen. Insgesamt soll so ein Bericht auf einer ausgewogenen Basis von qualitativer und quantitativer Evidenz entstehen. Wir freuen uns sehr, gerade auch aus dem jüngsten SF-Jahrgang 2020 neue Mitstreiter:innen für dieses spannende Projekt gewonnen zu haben.